Die Kräuterhex

 

 

Irgendwer aus unserer Familie  musste sich ja um den Nachlass von Tante Serafina kümmern.

 

Also tagte der Familienrat und das Ergebnis war, ich wurde zur Oberkümmerin ernannt. Ich hatte im Moment die meiste Zeit und Tante Serafina war meine Patentante, das reichte und ich hatte den Job an der Backe.

 

Also machte ich mich auf in das kleine Dorf im Bayerischen Wald um das Haus zu entrümpeln und es dann zu verkaufen

So viel zum Stand der Dinge und nun war ich schon eine Woche hier und wuselte mich so durch. Nur so als Anmerkung nebenbei,

 es war beileibe keine kleine Kate, sondern ein wunderschönes Bauernhaus mit einem großen Garten ringsherum, bei dem der Verkauf bestimmt nicht als zu schwer war.

 

 

Nun war ich gestern bei der Durchsicht ihres alten wuchtigen Schreibtisches auf ein Päckchen gestoßen, welches für mich war und wie folgt adressiert war:

Nur zu öffnen von meinem Patenkind Serafina persönlich.

 

Gestern hatte ich kaum Zeit, denn Makler und Herr Mayer von der Genossenschaftsbank , ebenso der Herr Pastor und einige Nachbarn gaben sich die Klinke in die Hand.

 

Aber nun hab ich mir die Zeit genommen, das Haus ist ruhig und ich sitze mit einem kühlen Glas Weißwein auf der Terrasse und lese den Brief der dem Päckchen beilag.

 

Dort stand, daß sie mir das Haus und das angrenzende Land vererbte, da sie selbst ja keine Kinder hatte und das Bargeld nebst Schmuck sollte an ihre Schwester , meine Mutter gehen.

 

Ich  muß vielleicht hier erwähnen das Tante Serafina sehr vermögend war und sie ihren Reichtum der Naturkosmetik, die sie vertrieb, zu verdanken hatte.

 

Ja und dann wies sie mich auf das alte leicht zerfledderte Heft hin, welches ganz zu unters in dem Päckchen lag.

 

Es war so  etwas wie ein Tagebuch aus dem Jahre 1785 welches in verblasster Schrift geschrieben war und es gehörte einer Serafina Türschner .

 

Die Schrift konnte ich kaum lesen da es Sütterlin war und das war außerordenlich schwierig für mich.

 

Mühsam las ich dann die Einleitung die wie folgt begann.

 

 

Heute ist eine wunderschöne Vollmondnacht  und  ich werde meinen ersten Kräutertee gegen Frauenleiden sowie die schmerzhafte Periode brauen und ihn dann selbst ausprobieren.

 

 

 

 

Von allem eine Prise mit heissem Wasser aufbrühen und 8 Minuten abgedeckt ziehen lassen und ihn langsam in kleinen Schlucken trinken.

 

Es wimmelte in diesem Büchlein von Kräuternamen von denen ich noch nie etwas gehört hatte, wie z.B.:

 

Adonisröschen, Beinwell, Besenginster,

 

Gundermann , Hauhechel usw. usw.

 

Je länger ich las, umso besser konnte ich die alte Schrift lesen.

 

Es war genau aufgeführt für welche Beschwerden gewisse Kräuter zuständig waren und auch wo und wann man sie zu welcher Zeit am besten pflücken konnte.

 

Also wie es sich beim Lesen herausstellte hatte die Serafina Türschner so manchen Kräutertrank gebraut, der auch zu einem

 

Schwangerschaftsabruch oder ggfs. zur Mutterschaft verhalf. Auch Pulver für die Potenz hatte sie im Angebot; welches sich wohl bei der damaligen Kundschaft großer Beliebtheit erfreute. Man konnte das  den Randnotitzen entnehmen wie z. B.für den Schneidermeister  Minneströther 

die Dosis erhöhen oder ebenfalls bei dem Fleischermeister Girgessohn wollte sie etwas mehr von dem Potenzpülverchen vormerken und zwar auf Bitten  seiner Frau, die ihm das immer ins Mittagessen streuen wollte.

 

Es war schon sehr aufschlußreich, dieses alte  Büchlein.

 

Sie hatte auch immer den Namen , das Datum und die jeweilige Menge der *Medizin* notiert, wie z.B. :

 

Trautgotte Biehlmann am 3.6.1784 

 

1 Fläschchen Mannesstärke und ein Beutelchen Frauentee für die Empfängnis.

 

Diese Aufzeichnungen waren ganz am Schluß auf den letzten Seiten.

 

Zum Beispiel stand auch da, ich muß vorsichtiger sein, denn gestern war der Herr Pfarrer mit dem Dorfältesten an meiner Tür und die wollten mich besuchen und bestimmt auch ein bisserl herumschnüffeln

 

Nun ja, es war ja damals nicht ganz ungefährlich wenn man sich aufs *Kräutern* verstand.

 

Ich weiß genau wie ich diesen Besuch zu deuten habe las ich dann weiter. Es wird Zeit für mich 

hier mein Bündel zu schnüren, denn all zu oft tuscheln die Leute bei meinem Erscheinen und die Kinder rufen mir den Namen Kräuterhex hinterher, wobei Kräuter leise und Hex laut gerufen wird.

 

Die nächste Vollmondnacht ist übermorgen und dann werde ich meineWanderschaft beginnen.

 

 

Das war dann der letzte Satz in dem Heft.

 

Anscheinend  hat die Serafina Türschner es geschafft und irgendwo eine neue Heimat gefunden. Das hoffe ich doch. Zumindest aber ist es ihr gelungen dieses Büchlein so 

zu verstecken und weiter zu vererben, dass es schließlich bei meiner Tante Serafina gelandet ist.

 

  

Tja und nun bin ich die Besitzerin dieses Büchlein und ich werde ebenso wie meine verstorbene Patentante mir ihre Kenntnisszu nutzen machen.

 

Ich schloß das Büchlein und murmelte,

 

liebe Urahnin Serafina Türschner, ich danke Dir vielmals für Dein Wissen, welches Du für uns niedergeschrieben hast.

 

Ich werden Dein Tagebuch ganz bestimmt in Ehren halten.

 

 

Ich habe einen kleines altes Sideboard mit einer Glasplatte und darunter werde ich dieses Büchlein deponieren und das Haus 

von meiner Patentante werde ich behalten und darin leben. Das habe ich beschlossen, als ich das Büchlein zu Ende gelesen habe,

 

denn Familienbesitz sollte man doch ach Möglichkeit erhalten und wer weiß, vielleicht schaut meine Urahnin Serafina  ja  mit einem wohlwollenden Lächeln so von oben herunter .

 

 

 

                                                                                              (C) by Kuk